"Wir sind Euer Gewissen" - vor 75 Jahren wurden Hans & Sophie Scholl hingerichtet

Am 18. Februar 1943 huschten zwei schlanke Gestalten durch die verlassenen Flure der Münchner Universität; die Vorlesungen waren noch nicht zu Ende. Vor den Hörsaaltüren und auf Fenstersimsen verteilten sie Flugblätter, die zum Widerstand gegen die Nazi-Diktatur aufriefen und von einem neuen, europäisch orientierten Deutschland in Freiheit träumten.

Hans SCHOLL (1918 - 1943) 
Widerstandskämpfer gegen
den Nationalsozialismus
und Mitglied der "Weißen Rose"
Sophie SCHOLL (1921 - 1943)
Widerstandskämpferin gegen
den Nationalsozialismus
und Mitglied der "Weißen Rose"

Die beiden Studenten Hans und Sophie Scholl - –setzten sie alles auf eine Karte, weil sie die Anspannung der letzten Monate nicht mehr aushielten? Der Hausmeister Jakob Schmied, ein strammer SA-Mann, rannte den beiden nach und schleppte sie in das Rektorat. Nur wenige Tage später wurden Hans und Sophie Scholl in einem Schauprozess vom berüchtigten, eigens aus Berlin angereisten, Volksgerichtshof-Präsidenten Roland Freisler zum Tod verurteilt und zum Schafott geführt.

Sophie Scholl stammte aus einer Familie, in der selbstständiges Denken geschätzt war. Im Bund Deutscher Mädel hielt es sie nicht lange. Sie begriff nicht, warum ihre Lieblingsfreundin Inge, die mit ihren blonden Haaren und blauen Augen das Musterexemplar eines deutschen Mädchens darstellte, als Jüdin dort nicht erwünscht war.

Jeder Mensch müsse doch "damit rechnen, im nächsten Augenblick von Gott zur Rechenschaft gezogen zu werden", notierte Sophie in ihrer nüchternen Religiosität. Sie nahm sich die Freiheit, den Krieg vom ersten Augenblick an anders zu bewerten als die offizielle Propaganda. Sophies Bruder Hans, der Medizin zu studieren begonnen hatte, ließ sich bei den regelmäßigen Diskussions- und Leseabenden mit seinen Freunden in der Opposition bestärken. Doch durfte man sich auf philosophische Gespräche und die Lektüre kritischer Bücher beschränken, wenn überall aufrechte Christen verfolgt, Gewerkschafter verhaftet, Juden deportiert und ganze Regimenter in einem wahnwitzigen Krieg an der Front verheizt wurden?

Im Sommer 1942 begann die Gruppe, Flugblätter zu entwerfen, mit der Aufforderung: "Leistet passiven Widerstand, verhindert das Weiterlaufen dieser atheistischen Kriegsmaschine, ehe es zu spät ist, ehe die letzten Städte ein Trümmerhaufen sind (...). Wir schweigen nicht, wir sind Euer Gewissen; die Weiße Rose lässt Euch keine Ruhe!" (Weiße Rose: Widerstandsgruppe in München zur Zeit des Nationalsozialismus).

Von der Haltung, die von den Geschwistern Scholl während der Verhöre gezeigt wurde, war sogar die Gestapo beeindruckt. Sie hätten die ganze Schuld auf sich genommen und erklärt, mit ihren Aktionen habe man ein noch größeres Unglück von Deutschland abwenden und möglichst vielen Menschen das Leben retten wollen, gab einer der Beamten später zu Protokoll. "Sie haben sich so fabelhaft tapfer benommen", erinnert sich ein Bewacher aus dem Gefängnis München-Stadelheim. Wenige Tage nach der Hinrichtung tauchten an der Fassade der Universität neue Inschriften auf: "Scholl lebt! Ihr könnt den Körper, aber niemals den Geist zerstören!"

Christian Feldmann / Fotos: epd-Bild